Péter Vida zum Gesetzentwurf von SPD, CDU und Grünen „Feststellung des Haushaltsplanes“ – 29.09.2021

29. Sep 2021

Rede von Péter Vida in Textform:

Herr Abg. Vida (BVB/FW):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Wir sind doch erst in der 1. Lesung, und im Laufe des gesamten Jahres haben wir immer wieder die Zusicherung der Ministerin gehört, was die rechtzeitige Zuleitung des Haushaltes anbelangt. Leider konnte das nicht gehalten werden. Ich kritisiere das gar nicht unter irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt, sondern es hat natürlich etwas mit einer tiefgründigen fachkundigen Vorbereitung zu tun, insbesondere dass man sich die Zeit nimmt, in den Ausschüssen ausreichend hierüber zu diskutieren. Wir setzen darauf, dass das möglich sein wird, und hoffen, dass eine arbeitsreiche Zeit vor uns liegt, in der Sie bereit sind, das eine oder andere bestehende Informationsdefizit innerhalb der Koalition auszuräumen und dabei auch der Opposition die Möglichkeit zu geben, dieses beispielsweise bei der Koalition zu beseitigen. Wir werden uns nun in eine Diskussion begeben, die dieses doch sehr umfangreiche Zahlenwerk sehr kritisch beleuchtet.

Doch bevor wir in die Fachausschüsse gehen, muss man schon deutlich die grundsätzliche Fehlausrichtung weiter Teile dieses Haushalts benennen, denn er offenbart eine falsche, in manchen Teilen sogar anachronistische Prioritätensetzung. Man kann es drehen und wenden, wie man will – es ist nicht vermittelbar, dass die zentrale Zusage der Koalition, ein weiteres Kitabeitragsjahr entfallen zu lassen und die Eltern entsprechend zu entlasten, nicht eingelöst werden soll.

Meine Damen und Herren, wir sind es wirklich leid: Im Koalitionsvertrag werden Vorhaben betont, dann werden hier resolutionsartige Beschlüsse gefasst, bei denen man das wiederholt. Dann wird verkündet, dass es doch nicht geht, und wenn Sie dafür die berechtigte Kritik bekommen, die Ihnen gebührt, wird erklärt: Wir glauben aber an das Ziel. – An Ziele zu glauben, meine Damen und Herren, ist keine Politik. Schritte zu unternehmen, diese zu erreichen – das ist Ihre Aufgabe als Regierung!

Da empfand ich den eindrucksvollen Brief des Bürgermeisters von Heidesee wirklich als ein Werk, welches vielen Eltern und im Übrigen auch Kommunen aus dem Herzen, aus der Seele sprach. Denn er betonte, dass Eltern in der Coronapandemie Enormes geleistet haben – und noch leisten – und nun hart vor den Kopf gestoßen werden, genauso wie die Mitarbeiter in den Migrationssozialarbeitsbereichen, die auch mit erheblichen Mittelkürzungen zu leben haben, weshalb dieser Schritt von Wohlfahrtsverbänden zu Recht kritisiert wird.

Genauso die immer wieder betonten Investitionen in Beton: Nein, die Landesstraßen und -brücken sind weiterhin in einem desolaten Zustand. Sie nehmen dem Landesbetrieb Straßenwesen, der dafür dann die Kritik einstecken muss, die zureichende Finanzausstattung, die personellen, kapazitiven und finanziellen Möglichkeiten, unsere Straßen, Wege und Plätze in einen angemessenen, neuen Zustand zu versetzen. Ganz offensichtlich ist hier eine Prioritätensetzung mit gesundem Menschenverstand abhandengekommen, denn, meine Damen und Herren, in einem Land wie Brandenburg ist es angesichts der Zustände und der Wehklagen, die wir hören, doch nicht hinnehmbar oder erklärbar, dass hier nicht die entsprechende Priorität gesetzt wird.

Ebenso beim Thema Schulkrankenschwestern: Sie hätten nach dem bisherigem Modell 400 000 Euro im Jahr gekostet. Sie lassen das ohne weitere Begründung auslaufen. Dass es keine weitere Begründung gegeben hat, sieht man ja daran, dass auch der Vorsitzende der größten Fraktion das offenbar nur en passant, nur rudimentär zur Kenntnis genommen hat – wenn überhaupt. Aber die Betroffenen nehmen es zur Kenntnis und kritisieren es.

Wir als Opposition nehmen uns das Recht heraus, dieser Kritik hier auch Widerhall zu geben. Es ist das Normalste der Welt, dies in einer Haushaltsdebatte zu betonen, insbesondere solange Geld da ist, um einer Flughafengesellschaft in vorauseilendem Gehorsam 146 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Das läuft allerdings nicht unter der Überschrift „Gehorsam“, sondern nennt sich – eine Wortneuschöpfung in meinem virtuellen Duden, wie ich da lesen durfte – „im Vorgriff auf noch zu treffende Entscheidungen im Gesellschafterkreis“. So wird heute vorauseilender Gehorsam haushalterisch umschrieben, und man erwartet von uns auch noch, das zu glauben bzw. es kritiklos hinzunehmen. Die FBB GmbH braucht nach aktueller Schätzung noch 2,4 Milliarden Euro. Der Brandenburger Anteil beläuft sich auf bescheidene 900 Millionen Euro. Die stehen noch nicht im Haushalt, aber wir sind ganz sicher, dass das Geld dafür da sein wird wie bisher ja auch.

So verplanen Sie für die Zeit ab 2025 bereits weitere „bescheidene“ 103 Millionen Euro für die Bezuschussung von Maßnahmen rund um Tesla, nachdem Sie bereits bis 2023 100 Millionen dafür ausgeben wollen. On top kommen noch 120 Millionen Euro Landesanteil für die Förderung der Batteriefabrik. Unterm Strich sind das 330 Millionen Euro.

Ich bin es ehrlich gesagt leid, dass man, wenn man hieran fiskalische, umweltrechtliche, wasserhaushalterische Kritik äußert, jedes Mal mit dem Totschlagargument kommt: Bist du denn nicht für das Werk? – Das erinnert mich an Floskeln von früher wie: Bist du denn nicht für den Frieden? – Meine Damen und Herren, es muss möglich sein, dass man eine Ansiedlung konstruktiv und kritisch zugleich begleitet und natürlich darauf hinweist, dass es sehr anachronistisch anmutet, wenn einem so großen und so potenten Investor eine Drittelmilliarde Euro aus dem Brandenburger Haushalt mittelfristig bereitgestellt wird. Natürlich muss das kritisiert werden dürfen.

Solange sich der Vorsitzende der Brandenburger CDU hier hinstellt und aus der Position, in der er, in der sich seine Partei befindet, einen Gerhard Schröder und einen Jacques Chirac kritisiert, müssen wir uns von Ihnen nichts erzählen lassen, wenn wir Kritik daran äußern, dass Sie hier völlig kritiklos und blauäugig eine Forderung von Elon Musk nach der anderen erfüllen. Nein, das können wir als BVB / FREIE WÄHLER nicht einfach so akzeptieren. Wenn Sie die Anmaßung besitzen, aus Ihrer Position heraus Kritik an wirklich großen Staatsmännern zu äußern, können wir, was den Haushalt in Brandenburg anbelangt, sehr wohl die Kritik äußern, die hier in der Sache angebracht ist.

Meine Damen und Herren, Sie verbrauchen das im letzten Jahr eingerichtete Sondervermögen bereits vollständig im Jahr 2022, obwohl es zum Ausgleich der Folgen der Pandemie für die Bürger, die Unternehmen, die Kommunen und die soziale und kulturelle Infrastruktur der nächsten Jahre eingerichtet war. Die Landesregierung war entweder nicht willens oder nicht in der Lage, vernünftige Einsparvorschläge zu unterbreiten und dabei auch ihre angehäuften internen Rücklagen von über 500 Millionen Euro anzugreifen. Deswegen ist es bemerkenswert, wenn mein Vorredner hier erzählt, auf Bundesebene würde das eine oder andere Wahlkampfversprechen aus Rücklagen finanziert werden. Nichts anderes wollen Sie auch hier in Brandenburg bewirken. Sie nutzen das Sondervermögen, um jetzt nicht eingelösten Wahlkampfversprechen – aber nicht einmal den wichtigen – zum Erfolg zu verhelfen. Die Ministerien sammeln eigene Rücklagen an, die sie nach Belieben selbst nutzen können. Dabei sollten doch gerade diese Reserven genutzt werden, um Zusagen einhalten zu können, und zwar extern gemachte Zusagen, die der Bevölkerung etwas bringen, und nicht interne, um den angespannten Haushalt zu entlasten.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung spart an den falschen Stellen – das ist die erste Erkenntnis, ganz klar so zu benennen. Durch ihr Agieren gehen Verlässlichkeit gegenüber der Brandenburger Bevölkerung und Planbarkeit von Projekten verloren, denn einmal gemachte Zusagen haben offenbar nur eine geringe Haltbarkeit. Sie haben keinen fiskalisch tragbaren Plan, die Coronapandemie tatsächlich zu bekämpfen. Seit eineinhalb Jahren erleben wir, dass man sich da durchwurschtelt.

Das Sondervermögen – übrigens damals mit unseren Stimmen beschlossen, und zwar unter der Maßgabe der Pandemiebewältigung – wird nun genutzt, um den Haushalt auszugleichen, statt die tatsächlich vorhandenen Reserven der allgemeinen Rücklagen und der Rücklagen aus den Verwaltungs- und Personalbudgets für die Haushaltskonsolidierung einzusetzen.

Und solange das so ist, meine Damen und Herren, werden wir uns von Ihnen nichts, aber auch gar nichts vorwerfen lassen, wenn wir weiterhin beständig die Beseitigung des von Ihnen geschaffenen Altanschließer-Unrechts und der sozial ungerechten Erschließungsbeiträge fordern – und zwar immer wieder fordern und auch dabei bleiben.

Meine Damen und Herren, vollmundig versprochene Zusicherungen an die Bevölkerung, sie zu entlasten, wurden nicht eingehalten. Corona muss dafür herhalten, dass sie nicht umsetzbar seien. Sie aber, werte Minister, halten an Ihren eigenen Prestigeprojekten fest.

Erlauben Sie mir noch ein Wort zum Finanzausgleichsgesetz; das soll ja auch überwiesen werden. Auch hier stellen wir eine bemerkenswerte Wendung fest: Sie verringern die Verbundmasse ab 2022, also den Betrag, der Gemeinden und Ämtern – Gemeindeverbänden – nach Schlüsselzuweisung zur Verfügung gestellt werden soll. Offensichtlich sind Ihnen die Regelungen und Wirkungen des Finanzausgleichsgesetzes bei der Formulierung nicht so präsent gewesen, denn sonst wüssten Sie, werte Kollegen von der Koalition, dass sich die Berechnungen im Finanzausgleich auf das Vorjahr und das Vorvorjahr beziehen. Das bedeutet, dass die Kommunen neben den coronabedingten Steuermindereinnahmen, die erst ab 2022 eintreten, auch noch geringere Schlüsselzuweisungen verkraften sollen. Das sieht sehr danach aus, als sollten die Kommunen den 2020 auf den Weg gebrachten kommunalen Rettungsschirm nun durch die Hintertür nachfinanzieren. – Bevor Sie zu bedeutungsschwer den Kopf schütteln, verweise ich auf die Begründung zur Änderung des FAG. Dort schreiben Sie als Begründung der Notwendigkeit dieser Regelung, dass für viele Kommunen die Ausgleichsleistungen 2020 nicht im ursprünglich errechneten Umfang erforderlich waren. Das lag aber schlichtweg daran, dass die Gewerbesteuerzahlungen auf der Grundlage der Abschlüsse 2018 und 2019 erfolgten – und da gab es kein Corona; daran erinnern Sie sich vielleicht noch.

Meine Damen und Herren, statt die Verbundmasse zu kürzen, hätte das in diesem Jahr gebildete Sondervermögen eingesetzt werden können und müssen, um die jetzt eintretenden Steuerausfälle der Kommunen zu kompensieren. Das ist genau das Gegenteil von dem, was hier von Ihnen vorgelegt wird.

Meine Damen und Herren, die nächsten Ausschussberatungen werden zeigen, inwieweit die Koalition bereit ist, in vielen wichtigen Angelegenheiten eine Kurskorrektur vorzunehmen. Wir als BVB / FREIE WÄHLER werden uns aktiv, konstruktiv daran beteiligen. Wir werden eigene Anträge einbringen – große Anträge, kleine Korrekturanträge -, um mit ausgewogenen, sich ausfinanzierenden Haushaltsvorschlägen unseren Beitrag zu leisten, den Haushalt in das richtige Fahrwasser zurückzuführen. Wir haben überhaupt keinen Zweifel daran, dass Sie das können und mit Zustimmung zu diesen Anträgen auch einen vernünftigen Haushalt auf den Weg brächten, aber wir haben sehr wenig Hoffnung, dass Sie das wirklich wollen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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