Philip Zeschmann zum Gesetzentwurf von CDU, SPD, GRÜNE zum Nachtragshaushalt 2021 vom 16.06.21

16. Jun 2021

Rede von Philip Zeschmann in Textform:

Herr Abg. Dr. Zeschmann (BVB/FW):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Brandenburgerinnen und Brandenburger an den Bildschirmen! Wir wissen jetzt, nach den diversen Reden, alle, dass wir hier darüber reden, durch den Nachtragshaushalt weitere Gelder für die Finanzierung von Corona-Hilfsmaßnahmen und coronabedingten Mehrbedarfen zur Verfügung zu stellen, die allerdings eben noch nicht bekannt sind.

Dazu plant die Landesregierung, auf die bereits für den Haushalt 2021 als Kreditermächtigung bewilligten 2,8 Milliarden Euro, die hier schon erwähnt wurden, 515 Millionen Euro obendraufzupacken. Nicht benötigte Mittel wie die Reste aus den 2,8 Milliarden Euro sollen zum Jahresende in das Sondervermögen „Brandenburgs Stärken für die Zukunft sichern“ einfließen. Aus ihm soll zukünftig – aus meiner Sicht, weil auch heute nicht beantwortet wurde, was damit genau gemacht wird und wie abgesichert werden soll, dass es allein um coronabedingte Themen geht – alles Mögliche finanziert werden, wenn aufgrund der Schuldenbremse in der Landesverfassung keine notlagenbedingten weiteren Kreditaufnahmen mehr möglich sind. Das ist das wahre Gesicht Ihres „jahresübergreifenden Ansatzes“, Herr Bretz, den Sie hier vorhin nebelkerzenartig verkündet haben.

Es ist doch offenkundig, dass Sie sich auf finanzpolitisch schlechtere Zeiten in der Zukunft vorbereiten und auf diesem Wege, unter Umgehung der Schuldenbremse, ein dickes Finanzpolster schaffen wollen, um in den nächsten Jahren die im Koalitionsvertrag vereinbarten Punkte unter dem Deckmantel coronabedingter Folgeprobleme in Ruhe bis zu den Wahlen 2024 umzusetzen. – Ich bleibe bei diesem Punkt, denn Sie haben das auch auf die verschiedenen Nachfragen hin nicht entkräften können.

Präsidentin Prof. Dr. Liedtke: Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Abg. Dr. Zeschmann (BVB/FW):

Im Moment nicht, danke.

(Unruhe)

Und es geht darum, eben nicht sparen zu müssen, wodurch wichtige Projekte aus Ihrem Koalitionsvertrag ja wegfallen würden. Das nenne ich – tut mir leid – dreiste Selbstbedienung dieser Landesregierung und dieser Koalitionsfraktionen auf Kosten unserer Bürger und auf Kosten unserer Kinder; denn – das haben Sie in einem kleinen Nachsatz eben doch noch gesagt – die Kredite, die hier aufgenommen und verausgabt werden, müssen zurückgezahlt werden. Für mich sieht nachhaltige, generationengerechte Finanzpolitik grundlegend anders aus.

Deswegen kann ich auch das, was Herr Vogelsänger hierzu gesagt hat – dass Sie weiter helfen wollten -, nicht so richtig ernst nehmen. Wem helfen wir? Wir helfen vielleicht, wenn es wirklich coronabedingte Ausgaben sind, zum Beispiel dem einen oder anderen Unternehmer oder Soloselbstständigen, der betroffen war. Aber helfen wir mittel- und langfristig unseren Bürgern, indem wir hier unverantwortbare Kredite aufhäufen und dann keine generationengerechte und nachhaltige Politik mehr betreiben können? Das war einmal Thema in diesem Hause; scheinbar ist das mit Eintritt in diese Legislaturperiode aber in Vergessenheit geraten.

Dabei ist bemerkenswert – das wurde auch schon angesprochen -, mit welcher Leichtigkeit diese Landesregierung bereit ist, weitere Kredite aufzunehmen, ohne Alternativen ernsthaft in Betracht zu ziehen. Offenkundig ist es in dieser anerkannten Notlage viel zu einfach, die Schuldenbremse zu umgehen, um finanzielle Probleme zu lösen. So werden auch alle diesbezüglichen Einlassungen des Landesrechnungshofes ignoriert. Ich frage mich da ehrlich gesagt: Wofür haben wir noch einen Landesrechnungshof, wenn das einfach so weggewischt und hier völlig – ohne irgendeine Konsequenz, irgendeinen Kompromiss – ignoriert wird?

Eigentlich, Frau Ministerin Lange, wollte ich Ihnen etwas Öl mitbringen, damit die im Dezember Ihnen hier, an dieser Stelle, überreichte Gelddruckmaschine bei dem Gebaren, das jetzt an den Tag gelegt wird, nicht total überhitzt und möglicherweise stehen bleibt. Um jetzt nicht wieder Ärger mit der Präsidentin zu bekommen, liegt das an meinem Platz, kann ich Ihnen aber gern noch übergeben.

Brandenburger Vereinigte Bürgerbewegungen / Freie Wähler hat sich in der Vergangenheit klar für die Hilfsprogramme und für die von der Coronakrise Betroffenen ausgesprochen. Auch für die Zukunft hält BVB / FREIE WÄHLER weitere Unterstützungsleistungen für erforderlich und geboten. Aber für 2021 und 2022 gibt es bereits Kreditermächtigungen über 2,4 Milliarden Euro für Coronahilfen und das Sondervermögen. Warum also nicht erst einmal die vorhandenen Kreditermächtigungen nutzen, um den wahrscheinlich steigenden Bedarf zu decken?

Es ist doch offensichtlich so, dass wir, wenn sich das so entwickelt, wie wir das abschätzen oder nicht abschätzen können, mit dem regulären Haushalt 2022 noch weitere Gelder aufnehmen können, wenn es denn erforderlich sein sollte. Darüber hinaus verfügt der Haushalt – das haben wir heute auch schon mehrfach angesprochen; es wäre schön, wenn Sie mit Ihren Nebendebatten aufhören würden – noch über eine allgemeine Rücklage in Höhe von 1,6 Milliarden Euro, die nach meiner Kenntnis im letzten Jahr über Kredite massiv aufgestockt worden ist. Zudem hat die aktuelle Steuerschätzung – das wurde hier übrigens noch gar nicht wirklich thematisiert – ergeben, dass das Land Brandenburg für 2021 mit höheren Steuereinnahmen in Höhe von 268 Millionen Euro rechnen kann.

Diese Mittel sollten aus Sicht von BVB / FREIE WÄHLER als Erstes für Mehrausgaben verwendet werden, denn eigentlich sind zuerst die Einnahmen und Rücklagen aufzubrauchen – was in der Debatte ja schon angesprochen wurde und der Landesrechnungshof ja auch gesagt hat -, bevor weitere Kredite aufgenommen werden, die dann von allen Brandenburgerinnen und Brandenburgern – von uns allen zusammen und von unseren Kindern – zurückgezahlt werden müssen. Denn nur, auf weitere Kredite so weit wie möglich zu verzichten, wäre eine nachhaltige und generationengerechte Finanzpolitik und keine auf Kosten unserer Kinder.

Aber über derartig wichtige Leitlinien einer vorausschauenden, zukunftsorientierten und damit auch verantwortbaren Finanzpolitik redet hier angesichts der Möglichkeit, noch einmal ungehemmt Schulden zu machen und sich alle Wünsche zu erfüllen, leider niemand mehr. Das finden wir einfach bedauerlich und unverantwortlich. So weit sind wir mit dieser Landesregierung und dieser Finanzministerin gekommen!

Mit dem Jahresabschluss 2020 war überdies sehr deutlich zu erkennen, dass diese Landesregierung bzw. die Ministerien selbst nur zu gerne zunehmend und ungehemmt in den Kredittopf greifen, um für eigene Zwecke Vorsorge zu treffen. Ein Blick in den Bericht des Finanzministeriums zum Jahresabschluss schafft hier Klarheit: Das Land hatte zum Jahresende einen Fehlbetrag von 1,1 Milliarden Euro – so weit, so schlecht, aber zu erwarten. Jetzt kommen wir zu dem Punkt, den ich eben ansprach: Nach der Ermittlung des Fehlbetrags wurden den Rücklagen aber weitere 600 Millionen Euro zusätzlich zugeführt, womit der Fehlbetrag einfach mal so auf 1,7 Milliarden Euro anstieg. Erst an dieser Stelle wurde dann der Kreditbedarf errechnet. Einfacher Umkehrschluss: Die neuen Rücklagen der Ministerien wurden erschreckenderweise kreditfinanziert, wie ich vorhin gesagt hatte.

Nun weiß aber auch Lieschen Müller – leider nicht die Mitglieder der Koalitionsfraktionen -, dass Rücklagen aus Überschüssen gebildet werden und ein Fehlbetrag eben kein Überschuss ist. Das heißt: Rücklagen hätten aus diesem Grund gar nicht gebildet werden dürfen, und die Ministerien haben Rücklagen gebildet, die aus Krediten finanziert wurden. Ist das wirklich mit der Schuldenbremse vereinbar? Natürlich scheint es verlockend, in einer Niedrigzinsphase weitere Kredite aufzunehmen. Aber mittel- und langfristig kann das nicht das geeignete Mittel sein, wenn es Alternativen gibt, um spätere Zinsen und Tilgungen zu reduzieren und Generationen entsprechend nicht zu belasten.

Des Weiteren hat die Landesregierung beim Haushalt 2020 „großzügig“ darauf verzichtet, die Rücklagenentnahme in geplanter Höhe vorzunehmen. Hätte sie das nämlich getan und auf neue Rücklagen verzichtet, hätte die Kreditaufnahme um ungefähr 800 Millionen Euro niedriger ausfallen können als die, die nun in Anspruch genommen wird. Aber was generationengerechte Finanzpolitik bedeutet, ist den Koalitionsfraktionen offensichtlich schlagartig entfallen; ich frage mich, ob es hier eine partielle Amnesie gibt oder worum es hier geht.

Unter diesem Aspekt wäre eine Erhöhung der Kreditermächtigung 2021 verständlich gewesen. So aber muss sich die Landesregierung den Vorwurf gefallen lassen, dass sie entweder den Überblick verloren hat oder dieses Haus zum Narren hält, wenn sie bei den kleinsten Schwierigkeiten nach Krediten verlangt, die dann aber am Ende in den Fachressorts verschwinden; das sprach schon ein Kollege von mir an. Also wo ist das System, wo ist die Strategie?

Aber wenn neuerdings alles nach dem neuen Grundsatz der brandenburgischen Finanzpolitik „Besser haben als brauchen“, Frau Ministerin, geht, ist auch nichts mehr verwunderlich. Nun, Frau Ministerin, „Besser haben als brauchen“ kann man ja sagen, wenn man ein Allradfahrzeug kauft und nicht unbedingt mit ihm im Gelände herumfahren möchte, es aber könnte. Leider geht es hier nicht um einen Gebrauchtwagenkauf, und Frau Lange ist auch nicht die Leiterin des Fuhrparks der Landesverwaltung oder eines Ministeriums, sondern es geht hier um die Gestaltung einer vorausschauenden, zukunftsorientierten und damit auch verantwortungsvollen Finanzpolitik für fast 2,6 Millionen Brandenburgerinnen und Brandenburger.

Jeder ordentliche Kaufmann oder jede ordentliche Kauffrau arbeitet und handelt nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Buchführung. Dazu gehört auch, die Bedarfe zu beziffern und nicht einfach den Daumen in den Wind zu halten und zu schätzen. So kann man nicht ernsthaft Finanzpolitik für 2,6 Millionen Brandenburger und Brandenburgerinnen machen, Frau Ministerin. Von vorausschauend, zukunftsorientiert, nachhaltig oder gar generationengerecht sind wir hier offensichtlich Lichtjahre entfernt. Aus meiner Sicht ist das, wie gesagt, nicht verantwortbar, aber Sie müssen ja die Verantwortung dafür übernehmen.

BVB / FREIE WÄHLER schließt sich an dieser Stelle daher der Auffassung des Landesrechnungshofes an, dass Kreditaufnahmen immer nur das letzte Mittel zur Finanzierung von Ausgaben sein sollen; das haben wir heute schon gehört. Aus diesem Grund beantragt die Fraktion mit den Ihnen vorliegenden Änderungsanträgen die Reduzierung der Kreditaufnahme wenigstens um die Höhe der erwarteten Steuermehreinnahmen – nämlich von 268 Millionen Euro – und die Erhöhung der Entnahme aus der allgemeinen Rücklage für den Fall, dass die Steuermehreinnahmen nicht in der ermittelten Höhe eintreten. Das ist aus unserer Sicht ein sehr moderater Vorschlag. Das sind zielgerichtete, zweckgebundene Vorschläge. Das betrifft auch die meisten Änderungsanträge der Linken. Wir sagen, wie das Ganze finanziert werden soll, und die Kollegen von den Linken sagen in ihren Änderungsanträgen, denen wir bis auf zwei zustimmen können, wie das Geld sinnvoll und zielgerichtet ausgegeben werden soll. – Danke schön.

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