Philip Zeschmann zu „Nutzung von Abwasser und Klärschlamm“ von BVB/Freie Wähler vom 25.02.21

25. Feb 2021

Link zum Vorgang: https://www.bvb-fw-fraktion.de/parla_tracking

Rede von Philip Zeschmann in Textform:

Herr Abg. Dr. Zeschmann (BVB/FW):

Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Liebe Kollegen Abgeordnete! Wir hatten in der letzten Sitzung im Januar die Große Anfrage zu den erneuerbaren Energien beraten, und wir hatten Ihnen gesagt, dass daraus eine Vielzahl von Anträgen und Themen erwachsen würde. Wir möchten deshalb, in Auseinandersetzung mit der Großen Anfrage „Chancen, Kosten und Risiken der Erneuerbaren Energien in Brandenburg“ im Januar-Plenum, noch einmal an die energiepolitische Diskussion, auch an die von heute Vormittag, anknüpfen.

Wie wir heute schon herausgearbeitet haben, geht es bei der Weiterentwicklung unserer Energiepolitik und damit auch der Energiestrategie des Landes – über die wir in diesem Jahr hoffentlich intensiv beraten und diskutieren – nicht nur darum, den klimaverträglichen Umbau unserer Energieerzeugung so ausgewogen wie möglich zu realisieren, sondern auch darum, die dauerhaft zur Verfügung stehende grundlastfähige und wetterunabhängige Energieerzeugung derart auszubauen, dass wir in sonnen- und windarmen Wetterlagen mittelfristig nicht ohne Strom dasitzen. Das Thema hatten wir heute Vormittag auch schon.

Genau dazu kann eine systematische landesweite Nutzung von Abwasser zur Erzeugung von Energie und Wärme aus Biogas – in Klammern: Klärgas – einen Beitrag leisten und damit das Erfordernis für den Bau von grundlastfähigen neuen Kraftwerken und Überbrückungs- und Reservekraftwerken zumindest etwas reduzieren. Die Anlagen wären also nicht nur wetterunabhängig und grundlastfähig; sie könnten in einem gewissen Umfang auch zur Erzeugung von Regelenergie zum Ausgleich von wetter- und verbrauchsbedingten Schwankungen eingesetzt werden – auch das hatten wir heute schon im Zusammenhang mit den Speichern -; denn diese Form der Energieerzeugung kann teilweise flexibel gestaltet werden. In Zeiten mit wetterbedingten Stromüberschüssen könnten Kläranlagen Strom auf diese Weise vom Netz beziehen, das in der Zeit anfallende Biogas im Tank zwischenspeichern; in Zeiten hohen Strombedarfs könnten sie es entsprechend verwerten, Strom erzeugen und ihn ins Netz einspeisen.

Aufgrund des zunehmenden Anteils wetterabhängiger Energieformen wie Windkraft und Fotovoltaik wird diese Regelenergie in immer größerem Umfang benötigt. Hierzu ist auf das Positionspapier „Klimawandel und Abwasserbehandlung. Sinnvolle Beiträge zur Energiewende“ des Umweltbundesamtes vom Dezember 2018 zu verweisen, das im Land bedauerlicherweise bisher keine Aufnahme in die Diskussion zur Weiterentwicklung der Energiestrategie gefunden hat. Wir hatten in der Großen Anfrage auch darauf hingewiesen. Darauf gab es keine vernünftige Antwort der Landesregierung.

Wir wollen das natürlich ändern und auch mit diesem Antrag zumindest schon einmal die Weichen in die richtige Richtung stellen. Ich denke, Sie haben es von heute Vormittag alle noch im Ohr, dass wir Möglichkeiten brauchen, um grundlastfähige Energie bereitzustellen. Und je mehr wir aus Biogas oder auch aus Wasserkraft hinbekommen, desto weniger brauchen wir die heute Vormittag diskutierten Reservekraftwerke als Brückentechnologie.

Hinzu kommt, dass wir bei der Erzeugung von Energie aus Biogas und Klärschlamm auch noch die Wärme, die dabei frei wird, nutzen können, sowohl für private Haushalte als auch für den gewerblichen Bereich in der näheren Umgebung der Kläranlagen. Und es kommt hinzu: Auch der ausgefaulte Klärschlamm kann noch einmal energetisch genutzt werden; denn er kann verbrannt werden, wodurch nicht unerhebliche Potenziale an Energie nutzbar sind. Das ist ein in dem Sinne ständiger Prozess; denn diese Sachen werden immer anfallen. Deswegen wäre es einfach unvernünftig, das nicht zu nutzen.

Außerdem leistet natürlich auch dieser Teil – deswegen unser Antrag hierzu – einen Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels, wie Sie, liebe Koalitionsfraktionen, es auch in Ihrer Koalitionsvereinbarung stehen haben. Laut der Biomassestrategie des Landes Brandenburg aus dem Jahre 2010 sind solche Anlagen übrigens bereits ab einem Abwasseräquivalent von etwa 20 000 Haushalten im Einzugsgebiet wirtschaftlich zu betreiben. Und diese Voraussetzung sei damals schon, Herr Roick, an über 30 Standorten gegeben gewesen.

Zusätzlich kann die Wärmerückgewinnung aus dem Abwasser – das ist ein dritter Faktor – durch den Einsatz von Wärmetauschern genutzt werden, zum Beispiel, um den Strombedarf der Kläranlagen in großen Teilen zu decken. Hinzu kommt, dass das einen positiven Effekt auf die Temperatur des Wassers hat, das aus den Kläranlagen in die Flüsse und Seen abgeleitet wird; denn sie ist meistens zu hoch und führt dann zu entsprechenden Überdüngungen und hat möglicherweise auch noch andere negative Folgen, bis hin zum Fischsterben in den Gewässern. Hier könnten wir mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen, indem wir die Energie dort noch nutzen. Wir bewahren dadurch auch die aquatischen Ökosysteme vor dem sogenannten Umkippen, weil sie dann nicht so viele Nährstoffe aufnehmen können.

Auf die Wärme bin ich schon eingegangen. Um die bereits vorhandene und immer wieder zur Verfügung stehende Energiequelle landesweit nutzbar zu machen, bedarf es jedoch Förderund Finanzierungsprogramme für Investitionen zur stofflichen und energetischen Nutzung von Abwasser, Klärgas und Klärschlamm seitens des Landes Brandenburg. Hierzu sollen die Abwasserzweckverbände und die Eigenbetriebe durch zinsgünstige Darlehen oder durch Zuschüsse zu den hierfür notwendigen Investitionen in die Lage versetzt werden. Auch das ist dringend überfällig, weil das bisherige Programm RENPlus 2014 – 2020, das einige Maßnahmen zur Verwertung von Abwasser, etwa den Bau von Faultürmen zur Erzeugung von Klärgas, gefördert hat, eigentlich schon ausgelaufen ist und nur einmal bis 2022 verlängert wurde. Daher brauchen wir hier dringend einen Nachfolger.

Wenn also in diesem Land gesunder Menschenverstand regieren würde, wäre die Nutzung von Abwasser zur Erzeugung von Energie und Wärme aus Biogas bereits Regelenergie, und entsprechende Förderprogramme wären selbstverständlich spätestens mit dem Haushalt, den wir im letzten Dezember für dieses Jahr beschlossen haben, auf den Weg gebracht worden. Ich freue mich auf die Diskussion über unseren Antrag. – Danke schön.

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